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Vernetzung |

Selbstverwaltung ringt um Gesetzespflichten

Im deutschen Gesundheitswesen stehen wichtige, E-Health-Gesetz-bedingte Entscheidungen an, von Medikationsplan über Telekonsil bis E-Arztbrief. Die Selbstverwaltung tut sich schwer, kommt aber voran.


Gleich zwei schon länger ausstehende Einigungen mit Telematikbezug gab es in den letzten Tagen zwischen GKV-Spitzenverband und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV). So wurde pünktlich zum 1. Oktober, quasi in letzter Minute, eine Einigung über die finanzielle Seite des Medikationsplans erzielt. Und die sieht etwas anders aus, als viele erwartet hatten.


Medikationsplan: Pauschale ist die Ausnahme
In Summe stellt die GKV den Ärzten für Erstellung und Aktualisierung von Medikationsplänen im ersten Jahr 163 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung, außerbudgetär. Ob das jetzt viel oder wenig ist, darüber dürfte innerhalb der Ärzteschaft diskutiert werden. Als formal anspruchsberechtigt gelten auf Basis der 3-Medikamente-Regel etwa 20 Millionen Versicherte. Wenn die alle innerhalb eines Jahres einen Medikationsplan bekämen, erhielte der Arzt im Schnitt nur 8 Euro pro Plan. Unter der Annahme, das nur jeder dritte Anspruchsberechtigte im ersten Jahr versorgt wird, wären es entsprechend im Schnitt 24 Euro, immer noch weit entfernt von jenen 100 Euro für die Erstellung und 22 Euro pro Quartal für die Aktualisierungen, die im ARMIN-Projekt gezahlt werden.


Der tatsächliche Abrechnungsmodus ist aber komplizierter, sodass die geschilderte Abschätzung durch Division von Gesamtsumme und Anspruchsberechtigten eher theoretischer Natur ist. Eine Einzelleistungsvergütung für die Erstellung eines Medikationsplans gibt es nur ausnahmsweise. Der Normalfall bei Hausärzten ist ein Zuschlag auf die Chronikerpauschale, bei Fachärzten ein Zuschlag auf die Grundpauschale. Diese Zuschläge werden unabhängig davon bezahlt, ob ein Medikationsplan erstellt wird oder nicht. Sie belaufen sich bei derzeitigem Punktwert auf rund 4 Euro pro Patient und Jahr. Streng genommen besteht damit kein echter finanzieller Anreiz für die Ärzte, einen Medikationsplan nach E-Health-Gesetz auszustellen. Es wird deswegen interessant, zu sehen, ob in der Praxis die gesetzliche Verpflichtung ausreicht, den Plan zu einem Erfolg zu machen.


Telekonsil: Die Technik steht

Geeinigt haben sich GKV-Spitzenverband und KBV außerdem auf die technischen Eckpfeiler des teleradiologischen Konsils, das ab zweitem Quartal 2017 Versorgungsrealität werden soll. Demnach müssen die Bilder und die sie begleitenden Dokumente mit einer „Ende-zu-.Ende“-Verschlüsselung verschickt werden. Das ganze muss zudem zwingend mit einem elektronischen Arztausweis signiert werden. Auch wird deutlich festgestellt, dass die Übermittlung über Kommunikationsdienste, die nicht die Telematikinfrastruktur sind, sprich das KV-Netz, nur übergangsweise möglich ist.


Offen bleibt der schwierigere Part, nämlich eine Einigung über die Vergütung. Wie komplex Vergütungsgespräche zwischen GKV und KBV sein können, zeigen die anhaltenden Diskussionen um die genaue Ausgestaltung der Förderung elektronischer Arztbriefe ab Anfang 2017. Entschieden ist noch nichts, aber offenkundig kursiert der Vorschlag, die 55 Cent-Standardvergütung gemäß EBM-Pauschale 40120 zu streichen, wenn die Vergütung für einen elektronischen Arztbrief in Anspruch genommen wird. Diese soll demnach ebenfalls 55 Cent betragen, von denen 28 Cent an den Sender und 27 Cent an den Empfänger gehen sollen.


Arztbriefvergütung: Sinnvolles Modell noch gesucht

Das Unternehmen Medisign, Anbieter elektronischer Arztausweise, hat sich in einer Stellungnahme dazu sehr kritisch geäußert und fordert 55 Cent Zusatzvergütung „on top“ auf die bisherigen 55 Cent, also fast viermal so viel. Das dürfte nicht durchsetzbar sein, auch weil die Ärzte ja 70 Cent Porto sparen. Aber in seiner grundsätzlichen Kritik hat das Unternehmen nicht Unrecht, zumal bisher alle davon ausgegangen sind, dass Zusatzvergütung auch Zusatzvergütung heißt.


Sinnvoll wäre eine differenzierte und längerfristige Herangehensweise an die Arztbriefförderung, bei der die problematischen Faxarztbriefe gar nicht mehr erstattet werden und die Erstattung der Papierarztbriefe zeitlich begrenzt wird, und zwar für alle Einrichtungen gleichermaßen. Das würde auch für jene Arztpraxen einen Anreiz setzen, auf digitale Kommunikation umzusteigen, die diesen Schritt Anfang 2017 noch nicht gehen wollen. Und die, die ihn früh gehen, würden für ihre Vorreiterrolle durch eine „on top“-Förderung zumindest temporär finanziell spürbar belohnt.


Text: Philipp Grätzel von Grätz, Chefredakteur E-HEALTH-COM