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Medizin |

Bundesverband Internetmedizin (BiM) fordert geregelte Zulassung der Fernbehandlung

© Gstudio Group

Die Telemedizin gewinnt zunehmend an Bedeutung für eine wohnortnahe und sichere Versorgung. Ein gesetzliches Verbot von Arzneimittelverordnungen im Rahmen der Fernbehandlung greife unnötigerweise in die ärztliche Therapiefreiheit ein und verhindere einen zeitgemäßen Ausbau einer bedarfsgerechten telemedizinischen Infrastruktur und Versorgung, so der Bundesverband Intermedizin in einer aktuell veröffentlichten Mitteilung.

 

Die Fernbehandlung ist in Deutschland in den Berufsordnungen der Landesärztekammern  geregelt. Dort ist festgelegt, dass eine ärztliche Behandlung ausschließliche über Telekommunikationsmedien nicht zulässig ist. Damit ist es in Deutschland tätigen Ärzten nur eingeschräkt gestattet, Patienten ausschließlich telemedizinisch zu behandeln.

 

Der Gesetzgeber plant nun mit dem vierten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften, die Abgabe von Arzneimitteln zu verbieten, wenn der Verordnung nicht ein direkter Kontakt mit dem verordnenden Arzt voran gegangen ist. Die berufsrechtliche Reglementierung der ausschließlichen Fernbehandlung  würde so im Arzneimittelgesetz sogar noch verschärft werden und die Kontrolle der abgebenden Stelle, nämlich die Apotheke, übertragen. Aus Sicht des BiM ist die Definition von Behandlungsstandards ärztliche Aufgabe. Außerdem muss bei den ständig wachsenden Möglichkeiten der Telemedizin auch die Entscheidung, ob und wann ein physischer Arztbesuch notwendig ist, dem Arzt überlassen bleiben. Daher ist es weder sinnvoll, dass der Gesetzgeber hier in eine originäre Aufgabe der ärztlichen Selbstverwaltung eingreift, noch, dass Apotheker in die Pflicht genommen werden, ärztliche Verordnungen im Hinblick auf deren Zustandekommen zu überprüfen.

 

In anderen europäischen Ländern ist die Fernbehandlung unter definierten Bedingungen erlaubt. Die Schweiz ermöglicht nicht nur das Angebot von Telekonsultationen unter Einschluss von Arzneimittelverschreibungen. Vielmehr werden Telekonsultationen dort von den Kostenträgern durch Prämienreduzierungen sogar aktiv gefördert. In Einklang mit dem Schweizer Rechtsrahmen erbringt das Schweizer Zentrum für Telemedizin Medgate, einer der europaweit führenden Telemedizin-Anbieter, monatlich ca. 16.000 Telekonsultationen, die auch die Verschreibung von Arzneimitteln umfassen. Großbritannien überlässt die Entscheidung über das geeignete Kommunikationsmedium dem behandelnden Arzt. Und auch in skandinavischen Ländern wird die Patientenversorgung in entlegenen Gebieten durch telemedizinische Angebote ergänzt – auch anstelle des persönlichen Arzt-Patienten Kontakts.

 

Dass die ärztliche Selbstverwaltung in Deutschland die Möglichkeiten der Fernbehandlung nach wie vor pauschal einschränken will und in ihrem Berufsrecht reglementiert, ist vor diesem Hintergrund bereits diskussionswürdig. Eine gesetzliche Festschreibung des Arztbesuches vor jeder Arzneimittelverordnung im Arzneimittelrecht würde dieses Verbot jedoch wenig zeitgemäß zementieren. Das wäre paradox, hat die Bundesregierung doch gerade vor einem halben Jahr ein Gesetz zur Einführung von digitalen Anwendungen im Gesundheitswesen verabschiedet. Das E-Health Gesetz sieht sogar die Einführung einer Videosprechstunde vor. Aus Sicht des BiM Ärzte die Möglichkeit haben, im Rahmen einer Videosprechstunde Patienten auch zu behandeln. Ohne diese Möglichkeit verkümmert die Videosprechstunde zu einer reinen Beratungsinstitution, die nicht zur bedarfsgerechten Versorgung beitragen kann.

 

Die Bundesregierung begründet ihren Gesetzesentwurf mit dem Schutz der Patienten vor Fehldiagnosen. Beispiele aus dem Ausland zeigen jedoch, dass eine sinnvolle Regulierung der Fernbehandlung den Patientenschutz ebenso gewährleistet und gleichzeitig Ärzten und Patienten die Möglichkeit eröffnet, das geeignete Medium zur Behandlung selbst zu definieren. Auch verkennt die Regierung die noch gar nicht abschließend erkennbaren Chancen der Medizin unabhängig von Ort und Zeit und verbaut diese schon bevor sie entstehen können. Um Patienten vor unseriösen Angeboten zu schützen, sollte die Bundesregierung anstelle eines radikalen Verbots gemeinsam mit Ärzten und Anbietern telemedizinischer Leistungen geeignete Qualitätskriterien definieren, die eine hochwertige Fernbehandlung sicherstellen. Dazu gehört, dass bei einer Fernbehandlung ein qualifizierter (Fach-)Arzt den Patienten behandelt. Ebenso können Indikationen definiert werden, in denen eine Fernbehandlung möglich ist. So könnte man sich den neuen Herausforderungen der Fernbehandlung stellen und die möglichen Chancen fördern.

 

Ein europäisches Zertifizierungsverfahren für Telemedizin-Anbieter könnte ebenso zur Patientensicherheit beitragen. Zudem würde es gewährleisten, dass auch nicht-deutsche Telemedizin-Anbieter aus dem EU-Ausland den Qualitätsanforderungen genügen. Steigt die deutsche Bundesregierung in einen solchen Dialog ein, statt ein Verbot umzusetzen – das zudem auch aus europarechtlicher Perspektive äußerst fragwürdig ist – ebnet sie den Weg in ein bedarfsgerechtes, ein patientenorientiertes, digitales Gesundheitswesen. Der BiM würde es begrüßen, den gerade angestoßenen Prozess der Digitalisierung weiter zu verfolgen und fordert die Bundesregierung dazu auf, das geplante Verbot von Fernrezepten nicht umzusetzen, sondern sich der Herausforderung zu stellen, die das digitale Zeitalter auch an Gesundheitslösungen stellt.

Quelle: Bundesverband Internetmedizin (BiM)